„Lebenswirklichkeiten“ von Menschen auf Elephantine vor 3.800 Jahren – Ein Beitrag von Britta Wagner
Seit 1969 forscht das DAI auf der Insel Elephantine im südlichen Ägypten, seit 2013 mit einem besonderen Blick: Im Fokus des Interesses stehen die projektnamensgebenden „Lebenswirklichkeiten“ der Menschen vor über 3.800 Jahren. Bei ihren aktuellsten Forschungen in den Jahren 2019 und 2020 haben die Forschenden schon viel darüber herausgefunden, wie im alten Ägypten Brot gebacken wurde.
Um das Alltagsleben der Menschen im Elephantine des späten Mittleren Reiches (um rund 1800 v.C.) verstehen zu können, konzentrieren sich die Forschenden auf ein Gebäude (H169), dessen 200-jährige Nutzungsgeschichte fast lückenlos rekonstruiert werden kann. Frühe Studien haben gezeigt, dass es in ägyptischen „Wohnhäusern“ auch immer Produktion gab, nicht nur für den Eigenbedarf, sondern auch zum Verkauf oder für Abgaben an die Tempel und Regierung. Jedes Detail, das bei den Ausgrabungen in den aneinandergrenzenden Räumen und Höfen von H169 entdeckt wird, ist für das Projekt relevant und wird in geradezu forensischer Kleinarbeit analysiert, auch mit naturwissenschaftlichen Methoden.
Der Trick mit der Sand-Beschichtung
Die bei den Ausgrabungen gefundenen zahlreichen Brotmodelscherben belegen, dass in Gebäude H169 spätestens seit Mitte der 13. Dynastie Brot gebacken wurde. Dafür nutzten die Menschen wiederverwendbare Brotformen. Wie die Untersuchungen von Leslie Anne Warden und Mary Fay Ownby zeigen, kannte man auch im alten Ägypten schon eine Art Anti-Haft-Beschichtung beim Backen: Vor dem Einfüllen des Teigs erhielt die Form eine dünne Beschichtung aus einem feuchten, sandhaltigen Überzug.
Backversuche einer Experimentalarchäologin in einem anderen ägyptischen Ort (Ain Soukhna) belegen, dass der fertige Brotlaib dank dieser Beschichtung deutlich leichter aus der Form herausgelöst werden konnte. Mindestens ein Teil der beim Backen hart gewordenen Beschichtung blieb in der Form, so dass sich über mehrere Backvorgänge allmählich eine dickere Schicht ausbildete. Dadurch wurden die Brote immer kleiner. Die Forschenden vermuten daher, dass die Form gelegentlich ausgekratzt wurde.
Eher Gerste statt Emmer
Die Hauptzutat des elephantinischen Brots war wohl vor allem Gerste. Dass diese das Hauptgetreide der Region gewesen sein dürfte, schließt das Forschungsteam aus den Ergebnissen der Projektbotanikerin Claire Joanna Malleson. Sie hat die zahlreichen Überreste der Getreideproduktion und -verarbeitung analysiert. Dabei fand sie deutlich häufiger Gerste als Emmer, das sonst als typisches Urkorn des Nahen Ostens gilt. Aus klimatischer Sicht ist das aber kein Wunder, denn Gerste ist bestens an die trockenen ägyptischen Bedingungen damals wie heute angepasst.
Bei der Frage, wie die Backöfen in Elephantine aussahen, fehlen den Forschenden noch einige Antworten. Da sie bei den Ausgrabungen bisher keine Öfen finden konnten, gehen sie davon aus, dass komplette Räume zum Backen und Kochen dienten. Möglicherweise hatten diese Ofenräume ein leichtes Ast- und Strohdach, wie es auch heute noch am ersten Nil-Katarakt in Ägypten und im Sudan Tradition ist. Es könnte aber auch sein, dass es gar keine Dächer gab, wie es in der Region um Assuan zu beobachten ist.
Bis zu 800°C Hitze
Auf jeden Fall entwickelte sich in diesen Ofenräumen starke Hitze. Aus der Analyse der Überbleibsel von verbrannten Pflanzen in der Asche (den siliziumhaltigen „Phytolithen“) schließen die Forschenden, dass Temperaturen bis zu 800°C erreicht werden konnten. Möglicherweise dienten so heiße Feuer aber weniger dem Backen, sondern anderen Zwecken. Hier steht noch weitere Forschung an.
Ein weiteres Thema für die zukünftigen DAI-Forschungen ist Bier, denn Gerste wurde im alten Ägypten nicht nur zum Brotbacken verwendet, sondern auch zum Brauen. Über die Brautechniken im Mittleren Reich ist bisher allerdings wenig bekannt. Die DAI-Archäologinnen und Archäologen und ihre lokalen Partner*innen wollen mit biochemischen Untersuchungen und Versuchen den Herstellungsprozess des elephantinischen Bieres aufklären.
Dabei sind auch Recycling- und Umwelt-Aspekte spannend: Die Forschenden gehen davon aus, dass die Verarbeitungsreste sowohl von Bier als auch von Brot als Brennstoff genutzt wurden, neben Tierdung. Denn in der Umgebung von Elephantine gab es nur wenige Bäume zum Sammeln von Feuerholz. Das „Lebenswirklichkeiten“-Team will auch untersuchen, wie sich die Brotbackproduktion und die Lagerung von Dung auf das Wohnklima in den altägyptischen Häusern auswirkte. Die Forschungsarbeit bleibt also spannend.
Der Beitrag von Britta Wagner entstand im Rahmen des Fernpraktikums zur Wissenschaftskommunikation am DAI 2021.
LINK zum e-Forschungsbericht: https://publications.dainst.org/journals/index.php/efb/article/view/2706