Die Erfindung der Hose

Nach vielen Jahren Forschung legen Archäologen, Mode- und Textildesignerinnen sowie Naturwissenschaftler die Ergebnisse ihrer Arbeit vor, in Artikeln (Link), Büchern und einem Film:

Mayke Wagner und Pavel E. Tarasov: Die Erfindung der Hose: Buch und Film. Mitmach- und Entdeckerbücher zur Ostasiatischen Archäologie Band 1, Nünnerich-Asmus Verlag & Media Mainz am Rhein 2018. ISBN 978-3-96176-056-5

> Buch und Film bestellen beim Verlag

Auszug aus dem Buch, Seite 6-7:

„Der Beginn einer Heldenreise

Kennen Sie die Geschichte „Wie der Maulwurf zu seinen Hosen kam“? Ein kleiner Maulwurf kommt aus seinem Hügel gekrochen und weiß nicht wohin mit all seinen Schätzen, Murmel und Nagel, Spiegel und Nadel. So gern hätte er eine Hose mit großen Taschen. Er fragt die Maus, die rät ihm, die blauen Blumen zu fragen, also rennt er los und jeder, den er trifft, gibt ihm eine Aufgabe.

Der tschechische Animationszeichner Zdeněk Miler erfand den kleinen Helden 1957 und schickte ihn auf viele Abenteuer. Die alten Filme haben in 60 Jahren nichts von ihrer Spannung eingebüßt. Denn gemeinsam mit dem Schriftsteller Eduard Petiška erzählte Miler die Geschichten genauso wie sich Menschen in aller Welt schon immer Märchen und Mythen erzählten: als Heldenreise.

Joseph Campbell, ein Mythenforscher, hatte den Begriff 1948 geprägt, weil er wie Vladimir Propp, ein Märchenforscher, bei der Analyse von Geschichten vieler Völker entdeckt hatte, dass sie denselben dramaturgischen Schritten folgen: Ein Held, dem es in seiner gewohnten Welt an etwas mangelt, wird zum Abenteuer gerufen, zögert, ein Mentor bestärkt ihn, dann stürmt er über die erste Schwelle. Bei seiner Reise trifft er Verbündete und Antagonisten, wird auf immer schwerer werdende Proben gestellt bis zur entscheidenden Prüfung. Besteht er, bekommt er die Belohnung und macht sich damit auf den Rückweg. Vor der letzten Schwelle muss er beweisen, dass er die Lehren der Reise verinnerlicht hat, erst dann darf er zurückkehren und mit dem Elixier seine Welt verändern.

Christopher Vogler verwandelte die akademischen Werke von Campbell und Propp in ein praktikables Handbuch für Autoren, vor allem von Drehbüchern für die Hollywood-Studios. Wie die Umsetzung in Spielfilmen funktionieren kann, zeigte Blake Snyder mit seinen „Save the Cat!“-Büchern, aber dass die Struktur auch nicht-fiktive Filmgeschichten besser macht, bewies Christian Friedl. Sein Buch „Hollywood im journalistischen Alltag“ war der letzte Anstoß für uns, ihr auch in unserem Archäologenfilm zu folgen.

Dass im Grunde die Drei-Akt-Struktur von Aristoteles (384-322 v. Chr.) darunter liegt, machte uns die Sache vertraut. Nach demselben Prinzip konstruieren Wissenschaftlerinnen Aufsätze und Abschlussarbeiten: Erster Akt – Stand der Forschung, Benennen der Frage und des Auslösers sie anzugehen, Auswahl der Methoden, Definieren des Ziels; Zweiter Akt – Bearbeiten des Materials und Überwinden von Problemen mit Geräten, Umständen und sich selbst, bis zum Ergebnis; Dritter Akt – Messen der neuen Erkenntnis am alten Wissen und wenn es standhält, im Finale die Schlussfolgerung verkünden „… unsere Forschung hat das Bild verändert“.

Die Textstruktur folgt dem Forschungsprozess, aber Fachpublikationen enthalten nur die Essenz davon, Fakten, Argumente, Resultate. Die Dramatik des Wissenschaftleralltags jedoch, die Suche auf unbekannten Wegen mit klarem Ziel, aber ungewissem Ausgang, mit Fehlschlägen, Zeitdruck und Verzweiflung, bleibt verborgen.

Unsere Filmgeschichte bietet Ihnen beides, die Essenz und die Dramatik.

Helden dieser Geschichte sind Sie, alle, die Hosen tragen, ihren Ursprung nicht kennen und neugierig auf Entdeckungsreise gehen wollen. Wissenschaftler sind Ihre Verbündeten und gleichzeitig Helden einer Prüfung, die Sie Schritt für Schritt voranbringt. Das Elixier, das Sie und die Wissenschaftler gewinnen, ist Erkenntnis.

Der kleine Maulwurf hat es geschafft. Er bekommt was er wollte, himmelblaue Hosen mit zwei riesengroßen Taschen und noch mehr: er hat gelernt, wie man eine Leinenhose macht und dass man dafür viele Handwerker braucht. Der Maulwurf wäre erstaunt wenn er wüsste, dass die ersten Hosen der Welt gar keine Taschen hatten. Wozu sind sie dann nütze?

Sie, verehrte Leser, erfahren es und noch vieles mehr, wenn Sie das Drehbuch bis zu Ende lesen oder den Film „Die Erfindung der Hose“ anschauen, mit denen wir die Reihe „Mitmach- und Entdeckerbücher zur Ostasiatischen Archäologie“ beginnen. Diese Reihe ist Berichten von Mutigen vorbehalten, die entschlossen losziehen, um mit den Mitteln der Archäologie vergessenes Wissen zurückzubringen, und von Wissbegierigen, die sie darin bestärken; die lernen und lehren und es lieben, Wissen in Geschichten verpackt zu hören und zu erzählen.

Ihnen ist diese Reihe gewidmet.“

 

Autoren und Bücher, deren Rat wir beim Drehbuchschreiben folgten und denen wir Einsichten und Anregungen verdanken:

Joseph Campbell: The Hero with a Thousand Faces. Pantheon Books, New York 1949.

Roy Peter Clark: Writing Tools. Little, Brown and Company, New York 2006.

Christian Friedl: Hollywood im journalistischen Alltag. Springer VS, Wiesbaden 2013.

Anne Lamotte: Bird by Bird – Some Instructions on Writing and Life. Anchor Book, New York 1995.

Marie Lampert, Rolf Wespe: Storytelling für Journalisten. UVK Verlagsgesellschaft, Konstanz und München 2013.

Zdeněk Miler, Eduard Petiška: Wie der Maulwurf zu seinen Hosen kam. Leipziger Kinderbuchverlag, Leipzig 2013.

Martin Ordloff, Stefan Wachtel: Texten für TV. UVK Verlagsgesellschaft, Konstanz und München 2014.

Vladimir Propp: Morphologie des Märchens. Hanser, München 1972.

Michael Rabiger: Dokumentarfilmregie. edition filmwerkstatt, Mülheim an der Ruhr 2008.

Blake Snyder: Rette die Katze – Das ultimative Buch übers Drehbuchschreiben. Autorenhaus Verlag, Berlin 2015.

Blake Snyder: Save the Cat! Strikes Back. Save the Cat! Press 2009.

Christopher Vogler: Die Odyssee der Drehbuchschreiber, Romanautoren und Dramatiker. Autorenhaus Verlag, Berlin 2018.

Mehr zum Forschungsprojekt „Silk Road Fashion“ erfahren Sie hier:

>Projektseite beim Deutschen Archäologischen Insitut

 

Autorin: Mayke Wagner