Archäologie als Detektivarbeit

Ein Projekt aus Olympia – Ein Beitrag von Sophie Preiswerk

Die Archäologie ist ein Fach des Aufdeckens, des Ans-Licht-Bringens und des Rekonstruierens. Dass Archäolog:innen dabei nicht nur in der Erde graben, sondern auch in alten Dokumenten und Handschriften, zeigt die detektivische Arbeit der Forschenden an dem Projekt „Die Schatzhausterrasse von Olympia: Rekontextualisierung von Befunden und Funden“.

Luftaufnahme des Heiligtums mit Zeustempel im Zentrum und der nördlich davon gelegenen Schatzhausterrasse [Attribution: Velia Boecker auf Grundlage von GoogleEarth; Copyright: DAI]

Dem berühmten Detektiv Sherlock Holmes ist es möglich, seinem Gegenüber mit einem einzigen Blick Informationen abzugewinnen: Beziehungsstatus, Gemütszustand, sogar Beruf und Vorlieben erschließt der brillante Ermittler anhand weniger Hinweise und durch bloße Anschauung. Archäolog:innen vermögen bei der Ansicht eines Objektes Ähnliches: Sie lesen ihm sein Alter ab, erkennen seine Herstellungsweise oder rekonstruieren seine Verwendung und Bedeutungen. Für eine vollständige Klärung des Falles jedoch benötigt sowohl der Detektiv als auch die Archäologin weitere Informationen. Für die Archäologin ist wichtig, in welchem Kontext ein Objekt gefunden wurde. Daraus kann sie schließen, wie das Objekt einst genutzt wurde oder wo es aufgestellt war. Vor allem bei Funden aus weit zurückliegenden Grabungen ist der Fundzusammenhang jedoch nicht immer hinreichend bekannt und muss in kriminologischer Sorgfalt nachvollzogen werden.
Während Sherlock Holmes Zeug:innen befragt und so Stück für Stück den Tathergang rekonstruiert, können Archäolog:innen nicht einfach eine Nachbarschaftsbefragung durchführen. In Olympia jedoch haben die Archäologen der ersten deutschen Grabung zwischen 1875 und 1881 Hinweise für die Nachwelt hinterlassen. Aus ihren Notizen, Inventarlisten und Aufzeichnungen ist eine Lösung des Rätsels um die Fundkontexte der Objekte für die Forschenden der Gegenwart möglich. Dies ist das Ziel des Projektes „Die Schatzhausterrasse von Olympia: Rekontextualisierung von Befunden und Funden“.

Die Schatzhausterrasse befindet sich auf dem sogenannten Kronoshügel im nördlichen Bereich des antiken Olympias im Nordwesten der Peleponnes. In der Antike errichteten die griechischen Stadtstaaten (Poleis) hier ihre Schatzhäuser, um wertvolle Weihgeschenke für das Heiligtum von Olympia aufzubewahren. Dementsprechend wurden auf dem Areal zahlreiche spektakuläre Funde getätigt. Bei der Durchsicht der historischen Grabungsaufzeichnungen, der Notizen und Listen ergab sich für die heutigen Archäolog:innen ein dichtes Netz an Informationen, das ihnen ein komplexes Bild der Fund- und Forschungsgeschichte des Ortes liefert. Für das Projekt verfolgen sie etwa alte Inventarnummern einzelner Objekte, vergleichen Lagepläne und ordnen einzelne Befunde von damals den vorliegenden Objekten von heute zu.

Seite aus dem Inventarverzeichnis der Olympiagrabung vom Januar 1878 und Screenshot des Eintrags in iDAI.field [Attribution: Velia Boecker; Copyright: DAI]


Diese Detektivarbeit bedient sich nicht nur der historischen Quellen, sondern mündet in moderner Weiterarbeit: So werden die Grabungspläne von 1875 bis 1881 georeferenziert und in das Grabungsdokumentationssystem iDai Fields 2.0 eingelesen. Es ergibt sich dabei eine Art digitaler Lageplan, der die Fundorte, sowie weiterführende Verlinkungen für ein Objekt, etwa zu Fotos, Zeichnungen oder Materialanalysen, aufzeigt. So entsteht seinerseits ein neues, noch dichteres Netz an Informationen, das die antiken Zusammenhänge durch moderne Technik, historische Aufzeichnungen und nicht zuletzt detektivisches Feingespür rekonstruiert.

Wie genau sich die Arbeit der Forschenden gestaltet, haben Velia Boecker und Regina Zimmermann in ihrem eForschungsbericht beschrieben.

Der Beitrag von Sophie Preiswerk entstand im Rahmen des Fernpraktikums zur Wissenschaftskommunikation am DAI 2021.

LINK zum e-Forschungsbericht: https://publications.dainst.org/journals/index.php/efb/article/view/3608

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