Archäologie und Paläoumweltforschung: Hinter den Kulissen Teil I

Archäologie in Ostasien forscht in Teams mit verschiedenen Fachwissenschaftler*innen. Geht es um Themen wie „der Mensch und seine Bauwerke“, dann sind Architekten dabei, für „der Mensch und seine Gesundheit“ braucht man Anthropologen und Genetiker, für „Mensch und Umwelt“ Botaniker, Zoologen oder – Mikropaläontologen. Sie finden Reste von Kleinstlebewesen in alten Erdschichten. Das ist mühsam, aber der Aufwand lohnt sich. Wie sie das machen, stellen wir hier vor.

von Pascal Olschewski

Interessiert man sich für die wissenschaftliche Arbeit der Paläontologen hört oder liest man zumeist nur von exotischen Exkursionen, spannenden Analyse-Methoden oder von den neusten Ergebnissen. Jedoch ist es ein langer Weg von der Projektplanung bis zur fertigen Publikation mit vielen interessanten Etappen. Ein integraler Bestandteil einer jeden Forschungsarbeit wie sie an vielen Plätzen durchgeführt wird, ist die Aufbereitung von Sedimentproben zur Gewinnung von Mikrofossilien. Dazu gehören Muschelkrebse, Zuckmückenlarven und Pollen, über die  wir schon berichtet haben. Aber wie gewinnt man überhaupt mikroskopisch kleine Fossilien aus Jahrtausende altem Sediment? In diesem Blogbeitrag zeigen wir Ihnen einen kleinen Teil der Laborarbeit, die hinter einem Projekt steht, bei dem aus Mikrofossilien Informationen über Sommer- und Wintertemperaturen, Niederschlagsmengen oder Trinkwasserqualität gewonnen werden.


Startbild: Das fertige Präparat. Eine sogenannte „Frankezelle“ mit vielen einzelnen Muschelkrebsschalen.

Fallen die Begriffe „Paläontologie“ oder „Fossilien“ denkt man automatisch an Dinosaurierknochen, Mammutzähne oder Ammoniten.  Ein großer Teil der paläontologischen Forschungsgemeinschaft untersucht jedoch Mikrofossilien. Warum? Kleinstlebewesen kommen zahlreich in allen Bereichen der Lebewelt vor. Die Untersuchung von Artenvergesellschaftungen oder geochemische Analysen von Schalenresten ermöglichen eine Rekonstruktion lang vergangener Lebensräume. Darüber hinaus ist die Bearbeitung von Mikrofossilienproben sehr praktisch. Während der Abtransport eines Dinosaurierknochens eine logistische Herausforderung ist, passt eine Mikrofossilienprobe in jede Jackentasche. Um die Umweltveränderungen z. B. an einem See nachvollziehen zu können, wird ein Bohrkern aus dem Seesediment entnommen und im Labor in einzelne Proben unterteilt.

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40 kleine Probentüten mit je 5 – 7 Gramm Sediment warten auf die weitere Verarbeitung im Labor.

Selbst wenn das Forschungsteam sich hauptsächlich auf die Aufbereitung der Proben für die Suche nach Pollen und Muschelkrebsschalen konzentriert, werden auch Muscheln, Schnecken und größere Pflanzenreste aufbewahrt, falls sie vorkommen. Die Paläontologie der Freien Universität Berlin bietet dafür gute Arbeitsmöglichkeiten. Das Ziel dieser Laborarbeiten ist es, Organismenreste schonend vom Sediment zu trennen und zu reinigen. Im Feld der Mikropaläontologie gibt es eine wahre Fülle an Arbeitstechniken. Man unterscheidet hauptsächlich zwischen chemischen (z.B. Einsatz von Basen, Säuren, Tensiden) und physikalischen Aufbereitungsverfahren (z.B. Aufkochen, Gefriersprengen, Ultra-Schall). Oftmals ist es nötig, mehrere Methoden zu kombinieren. Welches Verfahren angewandt wird, hängt vor allem von der Gruppe der Mikrofossilien ab, die im Vordergrund steht.

Muschelkrebse sind von zwei schützenden Klappen aus Kalk umgeben. Der Einsatz von Säure ist daher nicht möglich, da nicht nur das Sediment, sondern auch die kalkigen Mikrofossilien aufgelöst würden. Wenn ein Sediment lehmig und formbar ist und kein Festgestein, dann  bietet sich in solchen Fällen der Einsatz von Wasserstoffperoxid (H2O2) an. Wasserstoffperoxid reagiert mit z.B. organischen Substanzen im Sediment, wodurch Luftblasen in den Hohlräumen entstehen und das Sediment aufsprengen. Stark verdünnte Lösungen (3-10%) und kurze Reaktionszeiten haben dabei kaum Auswirkungen auf die Schalen der Muschelkrebse. Das Wasserstoffperoxid zerkleinert das Sediment so stark, dass es eine Suspension mit der wässrigen Lösung bildet.

Im Anschluss kann das Sediment im Schlämmlabor gereinigt werden.  Bei diesem Schritt wird das aufbereitete Sediment, je nach Aufwand und Zielstellung, durch eines oder mehrere Siebe gegossen und mit Leitungswasser abgespült. Zur Gewinnung der Muschelkrebsschalen wird ein Sieb benutzt mit einer Maschenweite von 106 Mikrometer, nur etwas dicker als ein menschliches Kopfhaar. Sämtliches Material größer als 106 µm wird getrocknet und steht später zur Untersuchung bereit. Material kleiner als 106 µm wird zum Teil auch aufgefangen, liegt aber nicht im Fokus des Projektes.

Sind die Proben getrocknet, folgt das Auslesen der Fossilien. Dazu benötigt man ein Auflichtmikroskop, eine Ausleseschale, eine dünne Nadel und Pinzette, entsprechende Behältnisse und vor allem eine ruhige Hand! Nun wird immer etwas Material vom Siebrückstand auf die Ausleseschale gestreut und nach den gewünschten Fossilien abgesucht. Mit etwas Geschick kann man nun ein Präparat anfertigen, das nur aus Mikrofossilien besteht, wie im Startbild zu sehen.

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Im letzten Bild der Gallerie ist deutlich zu sehen, dass es in den Proben noch viel mehr zu entdecken gibt als nur Muschelkrebse und Pollen. Welche spannenden Organismenreste wir noch beim Auslesen der Muschelkrebsschalen entdeckt haben, können Sie im zweiten Teil der „Hinter den Kulissen“ Reihe lesen.


Blogmaster: Pascal Olschewski