Svend Hansen
Nur im Home -Office geht es auch nicht. Nach dem ersten Lockdown konnten wir im Mai 2020 eine auf zwei Tage begrenzte Neudokumentation des Steinkammergrabs von Züschen, Stadt Fritzlar im nordhessischen Schwalm-Eder-Kreis durchführen. Im Home- Office entstanden dann binnen kurzer Zeit der Text und die Abbildungen, so dass die Publikation in den Digitalen Fundberichten Hessen bereits im Juni 2021 erfolgen konnte und seitdem online verfügbar ist.

Das 1897 ausgegrabene Megalithgrab gehört aufgrund seiner Architektur zu den Galeriegräbern im Pariser Becken und der westfälischen Bucht, die für die zweite Hälfte des 4.Jt. v. Chr. belegt sind. Erstmals konnte ein digitaler Gesamtplan erstellt werden.

Züschen ist wegen seiner eingepickten Zeichen, vor allem Lebensbäumchen oder Ähren sowie Wagen und Rindergespanne berühmt. Die Gespanndarstellungen finden guten Vergleich am Mont Bego in den französischen Alpen. Aber auch auf der Kamenaja Mogila in der Ostukraine sind sie bekannt und in etwas anderer Form finden sie sich auch in Armenien. In der Mitte des 4. Jt. begann man schwere hölzerne Wagen zu entwickeln, die von Rindergespannen gezogen wurden. Die Gespannbesitzer hatten einen überregionalen Code der Verständigung, mit der sich als Besitzer dieser prestigeträchtigen Innovation darstellen konnten. Auf dem Wandstein B 6 konnten erstmals Gespanndarstellungen dokumentiert werden.

Die Lebensbaumdarstellungen finden sich in Züschen prominent auf dem Kopfstein. Es ist ein weit verbreitetes Motiv, das uns bis in den Kaukasus führt. Regelmäßig gehören Lebensbaumdarstellungen zur Bemalung von Steinkistengräbern auf der Krim und im weiteren nördlichen Schwarzmeergebiet, die ebenfalls in die zweite Hälfte des 4. Jt. v. Chr. datieren. In Mitteldeutschland ist das Grab von Göhlitzsch das prominenteste Beispiel für solcherart verzierte Grabkammern. Es gab also nicht nur einen überregionalen Code des Besitzes von Gespannen, sondern auch der Heilserwartung, die mit den Lebensbäumchen verbunden gewesen sein dürften: von Nordhessen bis in den Kaukasus. Ein eurasisches Phänomen.

Die Neudokumentation des Grabs in Züchen erfolgte mittels einer großflächigen Befliegung der Umgebung mit der Drohne, eines 3D-Laserscanners und des SFM-Verfahrens (structure from motion) sowie. Damit können die Oberflächen der Wandsteine unabhängig von den Lichtverhältnissen dokumentiert werden. Überraschenderweise konnten durch unsere Dokumentation auch Bilder erkannt werden, die bislang noch nicht beschrieben wurden. Die Ergebnisse unserer Dokumentation zeigen, dass die Neudokumentation der Megalithgräber mit den neuen bildgebenden Verfahren neue Einsichten ermöglicht, wie es in der französischen Forschung schon seit längerer Zeit sehr erfolgreich betrieben wird
Literatur
Svend Hansen, Mehmet Karauçak, Jan Krumnow, Konstantin Scheele, Dokumentarische Beiträge zum Steinkammergrab von Züschen (Lohne, Stadt Fritzlar, Schwalm-Eder-Kreis). Fundberichte Hessen Digital 2, 2021/22, 65–151.
https://journals.ub.uni-heidelberg.de/index.php/fbhd/article/view/81378/75479