Die muslimischen Salar verließen im 13. Jahrhundert im Gefolge Dschingis Khans ihre Heimat um Samarkand, Usbekistan, und siedelten sich am Oberlauf des Gelben Flusses in Nordtibet und später am Fluss Ili in Xinjiang, China, an (Abb. 2).
Sie brachten mit ihrer Lebensweise auch die Holzbauweise in Gebiete mit Lehm- und Steinarchitektur, gaben sie jedoch im Laufe der Jahrhunderte zugunsten regionaler und moderner Bauweisen auf. Den Prozess der Akkulturation haben Archäologen, Bauforscher, Ethnologen und Dendrochronologen untersucht. Erstmals wurden dabei die Spezifika salarischer Architektur detailliert dokumentiert und die Bau- und Nutzungsgeschichte von fünf Wohnhöfen über den gesamten Zeitraum ihres Bestehens rekonstruiert.
Das Projekt diente der virtuellen Bewahrung von architektonischem Kulturerbe und traditionellem Wissen in China in einer Zeit der umfassenden Modernisierung des Lebens auf dem Lande.
Wie reagieren Familien auf Wandel?
Die Salar gehören mit weniger als hunderttausend Personen zu den kleinsten der 56 anerkannten Minderheiten in der VR China. Ihre Dörfer liegen in geschützten Flusstälern mit einem Mikroklima, das den Anbau von Getreide, Gemüse und vor allem Obst begünstigt und dem Klima ihres Herkunftsgebietes ähnelt (Startfoto). Mit ihren Familienverbänden bewohnen sie geschlossene Anlagen, in denen mehrere, teilweise zweistöckige Gebäude um einen begrünten Hof gruppiert sind, die nicht alle gleichzeitig und nicht alle aus demselben Material gebaut wurden. Besonderes Interesse erregen die reich beschnitzten Holzhäuser. Sie wirken in der fast vegetationslosen Berglandschaft merkwürdig fremd (Abb. 3, a). Erst recht, wenn direkt neben ihnen eingeschossige Bauten mit weiß gekachelten Fronten auf einer Zementplatte stehen (Abb. 3, b).
Unsere Arbeitsgruppe durfte fünf Höfe vermessen und beproben und die Familien zu den Zeiten und Anlässen von Neubau und Umbau sowie zur Nutzung der verschiedenen Räume befragen (Abb. 4). Entstanden sind synthetische Gehöftbiographien, die einen Ausschnitt salarischer und damit auch zentralasiatischer Kulturgeschichte konservieren. Sie sind ein Teil der Ergebnisse unseres langfristigen Forschungsprogramms zur Besiedlungsgeschichte Nordwestchinas/Ostzentralasiens der letzten achttausend Jahre.
Die Studie hat gezeigt, dass die Wohnarchitektur einer Salar-Familie historische Konstanten und gesellschaftlichen wie familiären Wandel widerspiegelt. Am Haupthaus bleiben die alten zentralasiatischen Traditionen am längsten erhalten, aber die Vorhallenhäuser werden umgeformt zu regionalspezifischen Salar-Bauten. Sie bleiben Ausdruck kultureller Mentalität.
Projektpartner: Kulturamt der Provinz Qinghai, Archäologisches Institut Qinghai (Ren X.Y., Xiao Y.M., Cai L.H.), Kreisverwaltung Xunhua, Denkmalamt der Autonomen Region der Uiguren Xinjiang, DAI Eurasien-Abteilung Außenstelle Peking (M. Wagner, M. Flitsch, A. Dwyer), DAI Referat Bauforschung (U. Wulf-Rheidt, C. Winterstein, H. Lehmann, M. Longo), DAI Naturwissenschaftliches Referat (K.-U. Heußner), Freie Universität Berlin, Institut für Geologische Wissenschaften, Paläontologie (P. Tarasov)
Projektlaufzeit: 2004-2006
Den vollständigen Forschungsbericht finden Sie hier:
AMIT_39_2007_127_234_MWagner_et_al_SALAR