Maria Radnóti-Alföldi: 6. Juni 1926 Budapest – 7. Mai 2022 Frankfurt am Main
von Sandra Schröer-Spang und Gabriele Rasbach
Ein Kind des Zweiten Weltkrieges – ein Opfer der europäischen Teilung – eine hochgeschätzte Wissenschaftlerin.
Gleich zwei Veranstaltungen im November 2022 gaben Anlass, uns an Maria Radnóti-Alföldi zu erinnern:
Vom 18. November bis 16. Dezember 2022 zeigt die Römisch-Germanische Kommission die Ausstellung „’Ein gut Theil Eigenheit‘ – Lebenswege früher Archäologinnen“ die von dem mit der RGK kooperierenden BMBF-Projekt AktArcha – Akteurinnen in der Archäologie erstellt wurde. Diesen Anlass haben wir genutzt um an eine Frau zu erinnern, die als erstes und lange Zeit einziges weibliches Kommissionsmitglied eng mit der RGK verbunden war. Zeitgleich mit dem Beginn der Ausstellung organisierte das DAI-Forschungscluster 5 vom 17. bis 18. November eine internationale Online-Tagung zum Thema „Archaeological Research on Both Sides of the Iron Curtain – Practices and Methods“. Ihr Lebensweg führte Maria Radnóti-Alföldi auf beide Seiten des Eisernen Vorhangs sodass ihre Biografie exemplarisch für „Research on Both Sides of the Iron Curtain“ steht und das Ausstellungsthema mit dem Thema der Tagung verbindet.
Maria Alföldi (Abb. 1) wurde 1926 in Budapest in ein bürgerliches Milieu des nominellen Königreichs Ungarn geboren. Sie erlebte den Zweiten Weltkrieg als Kind in Budapest.
Nachdem sie das Gymnasium 1944 mit dem Abitur abgeschlossen hatte, studierte sie bis 1949 an der heutigen Eötvös-Loránd-Universität in Budapest Alte Geschichte, Klassische Philologie und Archäologie. Früh schon galt ihr besonderes Interesse der Numismatik, was sich in Aufsätzen in einschlägigen Fachzeitschriften zeigt, die sie schon während ihres Studiums publizierte. Geprägt durch ihren Doktorvater Andreas Alföldi (1895 Budapest – 1981 Princeton), zu dem trotz der Namensgleichheit keine Verwandtschaft bestand, war es ihr immer ein Anliegen, die Fachdisziplinen der Numismatik, der Alten Geschichte und der Archäologie miteinander zu verbinden.
Während ihres Studiums lernte sie auch den damaligen Assistenten von Andreas Alföldi kennen, Aladár Radnóti (1913 Budapest – 1972 Frankfurt a. Main), den sie 1949 heiratete.
Nach dem Studium arbeiteten beide am Ungarischen Nationalmuseum, dessen Brand sie miterlebten. Zehn Jahre nachdem ihr Lehrer Andreas Alföldi 1947 Ungarn verlassen hatte und ins Exil gegangen war, flohen auch Aladár und Maria über Wien nach Bayern, mussten aber, das war für sie immer ein großes Unglück, ihre drei Kinder vorerst bei den Großeltern zurücklassen. Die Ausreise der Kinder gelang erst 1962. Auslöser ihrer Flucht war die Niederschlagung des nach dem Tod von Josef Stalin (1878 – 1953) ausgebrochenen Aufstandes der Ungarn. Maria Radnóti-Alföldi nutzte einen bereits genehmigten Studienaufenthalt in Wien, während Aladár zu Fuß die Flucht gelang.
Maria Radnóti-Alföldi war eine herausragende, immer für Neues offene Wissenschaftlerin. Ihr breites Wissenschaftsverständnis spiegeln neben ihrer Habilitationsschrift zur „Constantinischen Goldprägung“ vor allem ihre Publikationen zu „Bild und Bildersprache der römischen Kaiser“ und ihre „Einführung in die antike Numismatik“ (Abb. 2). Für sie war eine Münze so viel mehr als ein Wertspeicher und Zahlungsmittel, aber auch weit mehr als ein Datierungsmittel. Münzen sind, das vermittelte sie auch in der Lehre, neben Inschriften zentrale historische Bild- und Schriftquellen.
An der Ludwig-Maximilians-Universität in München war sie von 1957 bis 1962 als wissenschaftliche Mitarbeiterin im damals neu gegründeten Forschungsunternehmen „Fundmünzen der römischen Zeit in Deutschland“ (FMRD) beschäftigt, das sie ab 1973 von Frankfurt aus leitete.
1962 übersiedelte die Familie nach Frankfurt, wo Aladár Radnóti auf die außerordentliche Professur für Antike Numismatik, lateinische Epigraphik und Provinzialrömische Archäologie an der Johann Wolfgang Goethe-Universität berufen worden war. Als er 1972 plötzlich verstarb, wurde Maria Radnóti-Alföldi im folgenden Jahr als seine Nachfolgerin berufen (Abb. 3-5).
Mit ihrer Mehrsprachigkeit pflegte sie über politische Grenzen hinweg einen intensiven wissenschaftlichen Austausch als Botschafterin der Numismatik zwischen Europa und Amerika. Dabei war der kollegiale, offene Diskurs verbunden mit einem harten politischen Verhandeln um Ressourcen und Projektfinanzen in verschiedenen Fachgremien. In vielen Gremien, Beiräten und Leitungsinstanzen war sie die erste Frau, so in der Römisch-Germanischen Kommission, der sie von 1971 bis 1990 angehörte (Abb. 6-7). Nach dem Fall des „Eisernen Vorhangs“ und der Wiedervereinigung Deutschlands übernahm sie die vorläufige Leitung des „Griechischen Münzwerkes“, das ein ehemaliges Projekt der Akademie der Wissenschaften der DDR war. Es gelang ihr jedoch nicht mehr die langfristigen Corporaprojekte – so auch FMRD – finanziell dauerhaft zu sichern.
Die Wertschätzung ihrer wissenschaftlichen Leistungen ist in einer langen Liste an Ehrungen nationaler und internationaler numismatischer Gesellschaften und in ihrer Berufung zum Mitglied der Akademie der Literatur und Wissenschaften in Mainz zu erkennen. Für ihr soziales Engagement und ihren Einsatz für die Wissenschaft wurde sie 1992 mit dem Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland ausgezeichnet.
Bis zuletzt blieb Maria Radnóti-Alföldi dem Haus verbunden, nahm an Veranstaltungen der RGK teil und pflegte auch persönlich ein enges Verhältnis zu den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen des Hauses (Abb. 8).