Luftbild des Grafenbergsees mit Bohrplattform. [Attribution: R. Scholz; Copyright: RGK]

Zu Besuch in der Salzlandschaft Hallstatt

von Kerstin P. Hofmann, Kerstin Kowarik, Hans Reschreiter, Roman Scholz

Im Rahmen einer neuen Zusammenarbeit mit dem Naturhistorischen Museum Wien wird die Produktions- und Ressourcenlandschaft des eisenzeitlichen Salzbergwerkes Hallstatt gemeinsam erforscht. Die ersten Pilotstudien widmen sich ausgewählten Knotenpunkten des prähistorischen Wirtschaftsnetzes und speziellen hochalpinen Wirtschaftsflächen. Im Spätsommer 2021 erfolgte ein erste Feldforschungskampagne. Neben der Beprobung des auf dem Dachsteinplateaus gelegenen Grafenbergsees fanden erste Prospektionsmaßnahmen auf dem Waschenberg bei Bad Wimsbach statt.

Die Kulturlandschaft Hallstatt-Dachstein, ist seit 1997 UNESCO-Welterbe. Ausschlaggebend für die Ernennung zum Welterbe waren u.a. die besonderen Erhaltungsbedingungen in den prähistorischen Abbaurevieren im Hallstätter Hochtal und die lange kontinuierliche Nutzung dieser Landschaft durch den Menschen. Die Täler zwischen den z. T. bis zu 3.000 m hohen Bergen werden seit mehr als dreitausend Jahren intensiv von Menschen genutzt. Sie sind Teil der Produktionslandschaft des bereits in prähistorischen Zeiten begonnen Abbaus der für Mensch und Tier lebenswichtigen natürlichen Ressource Salz. Sie ist damit Zeugnis einer tiefgreifenden Verbindung von Mensch und Natur, die durch zahlreiche Klimaschwankungen und Naturereignisse geprägt ist. Die RGK freut sich daher sehr, zusammen mit dem Naturhistorischen Museum Wien (NHM), diese einmalige Produktions- und Ressourcenlandschaft, die auch für aktuelle Fragen des Klimawandelts interessante Erkenntnisse bietet, untersuchen zu dürfen. Ein erster Forschungsbesuch im Salzkammergut erfolgte Ende August/Anfang September. Dabei ging es einmal in die Höhe zur Beprobung des Grafenbergsee, eines der größten Gebirgsseen des Dachstein-Massivs, und einmal ins Traunviertel nach Bad Wimsbach, um das Umfeld der eisenzeitlichen Höhensiedlung auf dem Waschenberg zu prospektieren.

Abb. 1. Der Grafenbergsee mit Bohrplattform von oben. [Attribution: R. Scholz; Copyright: RGK]

Der Grafenbergsee liegt in über 1.600 m Höhe still in einem schmalen, von hohen Felswänden umsäumten Tal (Abb. 1). Für die Bohrungen wurde extra eine Bohrplattform nebst Bohrausrüstung mit einem Helikopter zum See geflogen. Ein Vier-Personen-Team arbeitete unermüdlich auf der schwimmenden Plattform in der Mitte des Sees (Abb. 2). Dabei wurden minimal-invasiv zwei Meter lange Plexiglasröhren segmentweise in den Seeboden getrieben und im Anschluss mittels einer Winde an die Wasseroberfläche gezogen (Abb. 3).

Abb. 2 Das Bohrteam auf dem Grafenbergsee bei der Arbeit. [Attribution: A. Fischer; Copyright: RGK]
Abb. 3. Nach erfolgreicher Bergung eines Bohrprofils wird gemeinsam diskutiert über das weitere Vorgehen. [Attribution: A. Fischer; Copyright: RGK]

Die Bohrung erfolgte in einer Wassertiefe von 22 m. Die 9 cm starken Kerne wurden luftdicht verschlossen und in Kisten verstaut. Die Bohrungen wurden solange fortgesetzt, bis der glaziale Untergrund erreicht wurde. Nach ca. 6 Stunden waren die Arbeiten erfolgreich abgeschlossen, ein Oberflächen-Bohrkern von knapp 1,5 m und zwei Sedimentsequenzen von 5 und 6 Metern Länge waren entnommen und der Rücktransport mit dem Helikopter konnte erfolgen (Abb. 4). All dies wurde nicht nur von uns Wissenschaftler*innen dokumentiert, sondern auch von einem Fernsehteam des ORF begleitet (Abb. 5). Unser Dank gilt insbesondere dem Auswärtigen Amt und dem Bundestag für die Unterstützung der Forschungen des DAI zu Archäologie und Klimawandel! Ebenso sind wir den Grundbesitzern rund um den Grafenbergsee (Agrargemeinschaft Grafenbergalm, Agrargemeinschaft Weißenbachalm) wie auch im Bereich der Schildenwangalm (Agrargemeinschaft Schildenwangalm), den Österreichischen Bundesforsten und dem Land Steiermark sehr dankbar für Ihre wohlwollende Unterstützung des Projekts.

Abb. 4. Transport der Bohrinsel mit Zubehör. [Attribution: D. Brandner; Copyright: NHMW]
Abb. 5. Das Fernsehteam des ORF bei der Aufnahme des Bohreinsatzes am Grafenbergsee. [Attribution: A. Fischer; Copyright: RGK]

Die Bohrkerne von insgesamt 12 m Länge lagern inzwischen im Labor des Instituts für Geologie der Universität Innsbruck. Zur Bohrkerneröffnung am 19. Oktober fuhr ein Team aus Wien, bestehend aus der NHM-Projektleiterin Kerstin Kowarik und zwei Student*innen der Universität Wien, und eines aus der RGK, mit der RGK-Projektleiterin Kerstin P. Hofmann und zwei Mitarbeiter*innen des Referats für Prospektions- und Grabungsmethodik, nach Innsbruck an die Austrian Core Facility für wissenschaftliche Bohrkernanalysen der Universität, um gemeinsam mit dem Univ-Prof. Dr. Michael Strasser und dem Doktoranden Marcel Luciano Ortler das weitere Vorgehen an den Bohrprofilen zu diskutieren. Nach Voruntersuchungen im geschlossenen Zustand – Dichte- und Magnetische Suszeptibilitätsbestimmung – wurden die Bohrkerne geöffnet, d. h. sie wurden der Länge nach aufgeschnitten, in zwei Teile gespalten (Abb. 6). Anschließend wurden sie fotografisch dokumentiert. Die besser erhaltene Hälfte wurde zum Zweck der späteren Überprüfung und der Aufbewahrung für zukünftige neue Analysetechniken eingeschweißt und archiviert. Nach einer ersten stratigraphischen Ansprache (Abb. 7), wurden Proben für 14C-Analysen zur Datierung der Schichten genommen (Abb. 8-9). Im Rahmen einer Bachelorarbeit an der Uni Innsbruck erfolgt nun die sedimentologische Beschreibung der Schichtabfolge. Pollenanalysen sind geplant und werden Auskunft über die Pflanzenwelt der Region, die sich immer wieder durch Eingriffe des Menschen in die Natur – z. B. durch Viehhaltung – verändert hat. Geochemische Analysen können zudem Einblicke in ökonomische Aktivitäten wie z.B. Erzverhüttung, aDNA-Analysen Hinweise zur Präsenz domestizierter Tiere, aber auch zur Zusammensetzung der Tierwelt im Allgemeinen geben.

Abb.6. Öffnung des Bohrkerns im Labor des Instituts für Geologie der Universität Innsbruck. [Attribution: K. P. Hofmann; Copyright: RGK]
Abb. 7. Erste stratigraphische Ansprache der Bohrkerne. [Attribution: K. P. Hofmann; Copyright: RGK]
Abb. 8. Auf der Suche nach Makroresten für 14C-Analysen zur Datierung der Schichten. [Attribution: K. P. Hofmann; Copyright: RGK]
Abb. 9. Bodenentnahme fürs Schlemmen zur Gewinnung weiteren 14C-Probenmaterials. [Attribution: K. P. Hofmann; Copyright: RGK]

Unser drittes Reiseziel war der Waschenberg bei Bad Wimsbach-Neydharting in Oberösterreich, einer der Knotenpunkte des Wirtschaftsnetzes der Hallstätter Salzlandschaft. Er liegt als Geländesporn der Niederterrasse innerhalb des von Alm und Traun gebildeten Mündungswinkels in und ist spätestens seit Mitte der 1950er Jahre durch zahlreiche Funde und Befunde der Vor- und Frühgeschichte, die im Zuge und im Vorfeld des Kiesabbaus entdeckt wurden, im Fokus archäologischer Überlegungen. Dank der Unterstützung der Bauern und der Gemeinde Bad Wimsbach-Neydharting, ganz besonders von Norbert Fischer, konnten große Feld- und Wiesenflächen mittels magnetischer Messung wissenschaftlich untersucht werden (Abb. 10). Dabei ging es um die Auffindung von Fundplätzen im Umfeld der ehemaligen bronze- und eisenzeitlichen Siedlung auf dem Waschenberg, die inzwischen leider zerstört ist. Prospektiert werden konnten insgesamt knapp 30 ha Fläche. Es wurden sowohl Flächen in der Niederung im Bereich des Almflusses wie auch in Höhenlage im Hinterland des Waschenbergs prospektiert. Ziel ist es, die Besiedlungsstrukturen im direkten und weiteren Umfeld des Waschenbergs abzuklären, wie auch Wirtschaftsflächen, die der Eisenverarbeitung dienten zu identifizieren. Darüber hinaus sollen in naher Zukunft Umweltarchive beprobt werden, um Daten zur menschlichen Beeinflussung der Umwelt durch die Jahrtausende in dieser Region des Alpenvorlands zu erschließen. Auch diese Arbeiten erregten großes Interesse bei der Öffentlichkeit. Im Rahmen einer eigens organisierten archäologischen Wanderung erhielten die Interessierten u.a. eine Einführung in die Arbeitsmethoden unseres Referats für Prospektions- und Grabungsmethodik (Abb. 11) und auch bei der Langen Nacht der Museen am 2. Oktober konnten die Arbeiten rund um den Waschenberg einer interessierten Öffentlichkeit im Museum Tempus vorgestellt werden. Die Arbeiten vor Ort endeten am 4. September 2021 und sollen in den nächsten Jahren fortgesetzt werden.

Abb. 10. Magnetische Messungen auf einer Wiese am Waschenberg in Bad Wimsbach-Neydharting. [Attribution: R. Scholz; Copyright: RGK]
Abb. 11. Unsere Prospektionsmaßnahmen als Ziel einer archäologischen Wanderung. [Attribution: A. Fischer; Copyright: RGK]

Eingebettet sind die Forschungen zum einen in den RGK Themenschwerpunkt „Siedlungsdynamiken und Sozialstrukturen“, in dessen Rahmen unter anderen eisenzeitliche Großsiedlungen und ihr Umfeld unter Berücksichtigung neuester naturwissenschaftlicher und landschaftsarchäologischer Ansätze untersucht werden. Die Herausforderungen, denen sich die Menschen in dieser prähistorischen Bergbaulandschaft stellen mussten, sind ferner Thema des Profilbereichs „40.000 Years of Human Challenges“ (https://challenges.uni-mainz.de/). Und im Rahmen des Groundcheck-Programms (https://www.dainst.org/forschung/netzwerke/forschungscluster/cluster-9/konzept) werden „Vulnerabilität und Resilienz menschlicher Gesellschaften im
klimasensitiven Alpingebiet der Salzlandschaft Hallstatt“ untersucht. Zum anderen sind diese Arbeiten Teil der Hallstattforschung, die durch das Naturhistorische Museum Wien betrieben wird. Hierbei kann auch auf die Vorarbeiten des Projektes „Facealps – 3500 Years of man-environment interrelations in the UNESCO Wolrd Heritage region of Hallstatt-Dachstein/Salkammergut“ (https://facealps.wordpress.com/), gefördert durch die Österreichische Akademie der Wissenschaften, aufgebaut werden.

Das Projekt findet im Rahmen der Groundcheck Initiative des DAI statt, welche ebenfalls ein eigenes Blog hat: https://www.dainst.blog/groundcheck/.