Das Handzeichnungsarchiv des DAI Rom – Ein Beitrag von Jan Sabri Cetinkaya
Wie tauschen sich Archäologen eigentlich über einzigartige Überreste und Artefakte vergangener Kulturen aus, die aus unterschiedlichen Gründen nicht immer zugänglich oder verfügbar sind? Im besten Fall reisen sie zu den Stücken und Stätten, um sie vor Ort untersuchen zu können. Doch in Zeiten der globalen COVID-19-Pandemie ist der Besuch von antiken Stätten und Denkmälern in weite Ferne gerückt. Schon vor ca. 200 Jahren konnten Wissenschaftler:innen nicht immer zu den Objekten ihrer Begierde reisen, wenn auch aus anderen Gründen. Die Lösung für das Problem ist die bildliche Dokumentation, also die händische Zeichnung, der einzigartigen Stücke. Hierdurch wird das Abbild der Objekte unbegrenzt verfügbar und reproduzierbar. Das möglichst originalgetreue Abbild eines Objekts ersetzt die Erforschung des Objekts selbst.
Reisen ins Archiv
Auch wenn heutzutage Reisen in Europa nicht mehr bedeutet, beschwerliche Wege per Kutsche oder Schiff zurückzulegen, ist Reisen durch COVID19 zur Herkulesaufgabe geworden. Dennoch ist das Erleben antiker Kunst und Architektur, dank der Digitalisierung, auch von der heimischen Couch oder dem Homeoffice möglich: Das DAI Rom öffnet, in Kooperation mit dem Archäologischen Institut der Universität zu Köln, mit dem Historischen Handzeichnungsarchiv ihre digitalen Pforten für alle Interessierten und Wissenschaftler:innen und gewährt damit einen Blick in die Kunst der Antike und ihrer Rezeption seit dem 19. Jahrhundert. Das Archiv beherbergt unzählige Digitalisate von Handzeichnungen, die von den Mitgliedern des DAIs angefertigt wurden. Sie zeigen Keramik, Skulpturen, Architektur, Kleinfunden und Bronzen. Es finden sich aber auch Abbildungen von Inschriften und Wandmalereien.
Die Zeichnungen, Aquarelle und Pläne sind hauptsächlich in der Zeit von 1829-1915 und 1953-2000 entstanden und wurden in der Frühphase für das ‚Instituto di Corrispondenza Archeologica‘, dem 1829 in Rom gegründeten Vorgänger des Deutschen Archäologischen Instituts angefertigt. Sie sollten den wissenschaftlichen Austausch über antike Artefakte und Architektur, aber auch über neue Funde, ermöglichen und die Mitglieder des Instituts über Neuigkeiten informieren. Dabei entsandte das Institut auch professionelle Zeichner zu Mitgliedern ihres europaweiten Netzwerks, um vor Ort Ausgrabungen, Artefakte und Architektur zu dokumentieren. Auf diese Art und Weise wurden unzählige Objekte und Bauwerke im Bild konserviert, von denen heutzutage teilweise nur noch ihre Zeichnungen vorhanden sind.
Neben den Handzeichnungen finden sich im Archiv auch die Sammlung der „Planzeichnungen des Architekturreferats“: Es handelt sich um die zeichnerische und fotografische Dokumentation aller Feldforschungsprojekte des DAI Rom seit 1953 und umfasst Pläne von Stadtanlagen, Monumente und Architektur vom 8. Jahrhundert v. Chr. bis zur Spätantike und von Italien bis nach Nordafrika.
Digitalisierung: Bewahren und Vernetzen
Das Digitalisierungsprojekt des DAI Rom und seiner Kooperationspartner in Deutschland verfolgt das Ziel, diesen Bilderschatz dauerhaft zu konservieren und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Um dies zu erreichen, werden ca. 9500 Blätter aus dem historischen Handzeichnungsarchiv und des Architekturreferats katalogisiert und digitalisiert. Darüber hinaus wird der Inhalt jedes Blattes wissenschaftlich aufgearbeitet, kontextualisiert und mit Metadaten versehen. Die Handzeichnungen werden so in Verbindung mit den Originalen gebracht und geben u.a. Auskunft über Erhaltungszustände und Forschungsgeschichte(n). Das digitale Archiv ist dabei in europaweite
Netzwerke eingebunden, was den Zugang zu den Materialien erleichtert und einen zusätzlichen Beitrag zur Demokratisierung von Wissensbeständen darstellt: So können die Zeichnungen weltweit über jeden Webbrowser aufgerufen und untersucht werden. Die Bildschätze des Archivs sind heute für Alle frei verfügbar und laden auch abseits von Forschungsinteressen zum Stöbern durch ferne Zeiten und Welten ein: https://arachne.dainst.org/catalog/214/551672
Der Beitrag von Jan Sabri Cetinkaya entstand im Rahmen des Fernpraktikums zur Wissenschaftskommunikation am DAI 2021.