Statusbericht „Routes of Interaction“
Im Projekt „Routes of Interaction: Überregionale Kontakte zwischen dem nördlichen Horn von Afrika und dem Niltal“ wurde im Winter 2018/2019 mit den ersten Feldarbeiten begonnen. Ein archäologischer Survey im Rama-Becken erbrachte vielversprechende Ergebnisse hinsichtlich der Besiedlungsräume im äthiopisch-eritreischen Grenzgebiet.
Der Mereb (Sudanesisch: Gash), Grenzfluss zwischen Eritrea und Äthiopien, hat einige Kilometer nördlich der tigrinischen Stadt Rama einen Zufluss. Dieser Zufluss heisst Midamar und liegt ungefähr in der Mitte eines weitläufigen Tals von c. 3,5 km Breite und einer Länge von c. 12 km. Das Tal teilt sich im Süden und führt in südöstliche Richtung nach Yeha und in südwestliche Richtung nach Aksum. Es liegt daher in strategisch günstiger Lage für Handelsbeziehungen zwischen dem sudanesischen Tiefland und dem äthiopischen Hochland.
Das Becken von Rama liegt auf einer Höhe zwischen 1350 und 1400 m.ü.NN. Einige kleine Bäche versorgen die Ebene ganzjährig mit Wasser und erlauben in einigen Teilen des Tals intensive Landwirtschaft. Der Survey im Herbst 2018 konzentrierte sich auf die südliche Hälfte des Tals.
Eine markante Landmarke, die von der Bevölkerung als „Wentah“ (Abb. 1) bezeichnet wird, besteht aus einer Felsformation von abgerundeten Granitblöcken. Keramik, die auf der Oberfläche im Bereich des Wentah gefunden wurde, zeigt feine Ritz- und Kerbverzierungen. Drei kleine Rinderfigurinen fanden sich ebenfalls, diese verweisen auch auf die Kulturen im Niltal. Scherben dieses diagnostischen Keramikstils wurden an fünf weiteren Fundstellen während des Surveys entdeckt, insbesondere an einem Siedlungsbefund auf einem Plateau, das auf halber Höhe eines Hügels nahe der Stadt von Rama, gelegen ist (Abb. 2). Hier wurde Keramik entdeckt, die große Ähnlichkeit mit einem Keramiktypen aufweist, der im Sudan im späten 2. sowie während der Mitte des 1. Jt. v. Chr. verbreitet ist.
Jüngere Perioden wurden anhand eines früh-aksumitischen Friedhofs, einer ausgedehnten aksumitischen Siedlung sowie einer spät-aksumitisch/ früh-modernen Befestigungsanlage mit angrenzender, aus Steinen errichteter Siedlung, identifiziert. Die Ergebnisse dieser ersten Begehungen sowie die Dichte an Befunden deuten darauf hin, dass das Tal vermutlich eine größere geostrategische Bedeutung besaß.
Anhand von Satellitenbildern, Wegerkundungen und der im Rahmen von Least-Cost Path Modellen erzielten Ergebnisse wurden in einem archäologisch-geografischen Survey in der Yeha-Region moderne und historische Wegesysteme erforscht. Unter Berücksichtigung von historischen Karten, moderner Topografie sowie Interviews der lokalen Bevölkerung standen zunächst vier Routen im Fokus. Hierbei konzentrierten sich die Surveyaktivitäten auf die Routen von Yeha aus in den Norden und im Speziellen zwischen Yeha und Rama. Auf einigen Routen haben sich Hohlwege (Abb. 3) ausgebildet, deren starke Grabenerosion („gully erosion“) auf eine lange Nutzungszeit schließen lässt. Diese wurden hinsichtlich ihrer geografischen Charakteristika und archäologischen Begleitfunde untersucht. Die Feldstudien dienten als Vorbereitung für weitere Untersuchungen angesichts der Fragestellungen, wo die antiken Karawanenrouten verliefen und anhand welcher topografischen Kriterien das theoretische Least-Cost-Path Modell überprüft werden kann. Für die Herbstkampagne 2019 sind die Fortführung der Wegerkundungen zwischen Yeha und Rama und begleitende Sondagen in der Plateau-Siedlung geplant.
Abbildungsverzeichnis:
Abb. 1 Der „Wentah“, eine markante Landmarke im Midamar Tal
Abb. 2 Siedlungsbefunde auf einem Plateau nahe der Stadt Rama
Abb. 3 Blick entlang eines bis auf den Fels abgetretenen Hohlwegs westlich von Yeha
Autoren:
Iris Gerlach / Kristina Pfeiffer / Dietrich Raue