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P07 „Routes of Interaction“ – What happened in the meantime?
Das interdisziplinäre Forschungsprojekt verfolgt auch in der zweiten Förderphase das Ziel, innerafrikanische Kontakte zwischen dem nördlichen Horn von Afrika, dem Mittleren Nil, dem nordostsudanesischen Gash-Delta sowie Teilen Ägyptens zu untersuchen. Das im äthiopisch-eritreischen Grenzgebiet gelegene Rama-Gebiet als überregionaler Kontaktkorridor zwischen dem eritreisch-äthiopischen Hochland und dem Gash-Delta steht im Fokus der Fragestellung.
Aufgrund des Bürgerkriegs sowie der Covid-19 Pandemie konnten nach 2019 keine weiteren Feldarbeiten realisiert werden. Daher erfolgte die Intensivierung von Recherche- und Aufarbeitungstätigkeiten sowie für die Langzeitarchivierung und Zugänglichkeit von Forschungsdaten die Überführung zuvor erhobenen Felddaten in open-access Repositorien der idai.welt. Entsprechend fanden alle Surveydaten Eingang in den idai.gazetteer (Fig. 1) und die Funddaten in idai.objects. In enger Abstimmung mit den äthiopischen Behörden ist die Freischaltung dieser Daten in Planung.
Fundplätze weisen im nördlichen Äthiopien oft eine jahrhunderte-, wenn nicht jahrtausendelange Siedlungskontinuität bzw. Bebauung ein und desselben Ortes auf. Dies gilt auch für Kirchen und Klosteranlagen. Somit können aksumitische und prä-aksumitische Stätten in der Regel als Indikatoren für eine frühere Besiedlung betrachtet werden. Vor diesem Hintergrund erfolgten durch Satellitenbildauswertung im äthiopischen Tigray sowie angrenzenden Eritrea umfassende Kartierungsarbeiten von Kirchen und Klöstern einschließlich der Dokumentation ihrer geografischen und topografischen Bedingungen. Unter Hinzunahme publizierter Koordinaten zu antiken Fundplätzen werden die Daten derzeit ausgewertet und dienen anschließend als weitere Parameter für die Least-Cost-Path Modelle. Unterstützt werden diese Arbeiten durch die fortlaufenden Studien historischer Karten und Reiseberichte. Auf breiter methodischer Grundlage werden so die Mobilitätssysteme, Siedlungsmuster und Kommunikationswege im äthiopischen Hochland erforscht. Untersuchungen zur Vernetzung mit den angrenzenden Regionen wurden im Rahmen von Arbeitstreffen und Workshops mit Forschungsprojekten im Sudan und am Horn von Afrika fortgesetzt.
Neben der Erforschung von Wegesystemen sind auch Fundassemblagen für den Nachweis überregionaler Interaktion wesentlich. So bilden Tonfigurinen, Obsidianartefakte und Keramik wichtige Indikatoren für Kulturkontakte zwischen den verschiedenen Regionen. Scherben von Gefäßkeramik, die während archäologischer Sondagen 2019 am Fundort „Gual Kor Nebri“ im Rama-Gebiet gefunden wurden, zeigen eine charakteristische Kombination aus sehr feinen, eingedrückten und eingeschnittenen Verzierungen auf Rand- und Wandstücken. Solche Keramikdekorationen lassen sich mit Gefäßen aus der Zeit zwischen 4. und 1. Jt. v. Chr. aus dem Sudan und der Gash-Region vergleichen. Jüngste Ergebnisse von Thermolumineszenzdatierungen (OSL/TL Forschungslabor der Universität zu Köln) an den Scherben bestätigten Alter von 3.71 ± 0.32 ka BP sowie 3.22 ± 0.24 ka BP (Fig. 2) und belegen somit enge Kontakte zum ostsudanesischen Tiefland im 2. Jt. v. Chr. Weitere Vergleichsstudien an Assemblagen aus Sudan, aber auch aus Ägypten, Eritrea und Somalia werden derzeit durchgeführt.
Im Segment der physischen Geographie des interdisziplinären Forschungsprojektes wurden erste Forschungen zum Wechselspiel zwischen Wegesystemen und Gullyerosion abgeschlossen. Untersucht wurde der räumliche Zusammenhang zwischen der Entstehung von Gullies und der Entfernung zu Siedlungen und Fußpfaden (Fig. 3). Dabei können diese als typische Faktoren menschlicher Interaktion mit der natürlichen Umwelt in ländlichen Gebieten Afrikas gewertet werden. Innerhalb einer größeren Region um das Rama-Gebiet im nordäthiopischen Hochland wurden 16 umwelt- und menschenbezogene Variablen kartiert und kategorisiert. Unter Hinzunahme von Algorithmen und menschen- und umweltbezogenen Faktoren erfolgte die Erstellung von Modellen, anhand derer Veränderungen erkannt, verglichen und bewertet werden konnten. Ein Ergebnis der Studie ist, dass knapp 30% der kartierten Gullies auf anthropogene Umwelteinflüsse zurückgeführt werden können.
Darüber hinaus wurden mittels statistischer Modellrechnungen Rückkopplungseffekte zwischen der Nutzung von Fußpfaden und der Gullyerosion untersucht. Unter der Grundannahme, dass die fortwährende Nutzung eines Fußpfads zu Bodenverdichtung führt, die unter bestimmten geomorphologischen Bedingungen Gullyerosion auslöst, kommt es immer wieder zu einer Zerstörung des ursprünglichen Wegs durch die rückschreitende Einschneidung des Gullys und der Weg muss verlegt werden, was insbesondere in hügeligem Terrain drastische Anpassungen der Wegführung bedingen kann.
Weiterhin wurde der Einfluss des Trampelns und der daraus folgenden Bodenverdichtung auf die physikalischen und chemischen Bodeneigenschaften untersucht. Zum Einsatz kamen mikromorphologische Analysen, bodenkundliche Laborversuche sowie GIS-gestützte geomorphologische Analysen. Unmittelbar unter der Bodenoberfläche des Fußpfads ist vor allem die Anzahl der Makroporen stark reduziert. Gleichzeitig sind, verglichen mit der Kontrollgruppe, die pedogenen Eisengehalte deutlich erhöht. Unter bestimmten Bedingungen, wenn Fußpfade so stark eingetieft sind, dass sie Hohlwege bilden, können diese Hohlwege die Entstehung von Gullies reduzieren, da die Wege selbst als Abflussbahn für Oberflächenabfluss dienen.