Attribution & Copyright: J. Hardt
P07 „Routes of Interaction“ – Sondierungsreise nach Djibouti
Das interdisziplinäre Forschungsprojekt hat im Verlauf der zweiten Förderphase weiterhin das Ziel, innerafrikanische Kontakte zwischen dem nördlichen Horn von Afrika, dem Mittleren Nil, dem nordostsudanesischen Gash-Delta sowie Teilen Ägyptens zu untersuchen. Die im Projekt verankerten Fragestellungen zum in ägyptischen Quellen erwähnten Land Punt und dessen mögliche Lokalisierung führten nun zu einer Ausweitung des Forschungsgebietes nach Djibouti.
Die Frage nach der Lokalisierung des Landes Punt, den Fundorten der puntischen Waren und ihrem Weg nach Ägypten spielt vor allem aus der ägyptologischen Perspektive im Projekt „Routes of Interaction“ eine große Rolle. Viele Forscher setzen das äthiopisch-eritreische Hochland und das mittlere Niltal einschließlich des Gash-Deltas, aber auch Regionen in Djibouti und Somalia mit dem Land Punt gleich. Während die Waren aus Punt, das von der Mitte des 3. bis zum späten 2. Jahrtausend v. Chr. Handelskontakte mit Ägypten unterhielt, auf der Grundlage schriftlicher und ikonographischer Quellen vor allem aus ägyptischer Sicht ausgewertet wurden, fehlt bisher eine systematische Untersuchung innerafrikanischer Handels- und Tauschgüter aus der Sicht des Horns von Afrika
In Kooperation mit der Forschungsstelle Antikes Südarabien und Nordostafrika der Friedrich-Schiller-Universität Jena (W. Smidt) unternahmen J. Hardt (Freie Universität Berlin) und K. Pfeiffer (Deutsches Archäologisches Institut) im März 2023 eine erste Sondierungsreise nach Djibouti. Ziele der Reise waren neben einer Kontaktaufnahme zum Centre d`Etudes et de Recherche de Djibouti (CERD), die Evaluierung des geografisch-archäologischen Forschungspotenzials hinsichtlich antiker Routensysteme sowie eine erste ethnohistorische Erforschung lokaler Überlieferungen zur politischen Kultur der Afar. Im Rahmen dreier wissenschaftlicher Exkursionen und erster Surveys (Figur 1) konnten bereits wichtige Ergebnisse zur Kulturlandschaft der Region, insbesondere des Sultanats Tadjoura, gewonnen werden.
Eine Exkursion in den Nordosten Tadjouras zum Ort ʿAsa-Gayla ermöglichte es, bislang unerforschte Tumuli, Gräberfelder sowie Siedlungsreste zu besuchen (Figur 2). Von besonderem Interesse war darüber hinaus die hohe Diversität der Natur- und Kulturlandschaft, die Dichte von aneinander angrenzenden Ökozonen sowie die Vielfalt geomorphologischer Großräume in der Region. Beidseitig des Ortes ʿAsa-Gayla erstrecken sich auf höher gelegenen Basaltspornen große Gruppen von Tumuli unterschiedlicher Größe und Art (Figur 3) sowie vereinzelte Steinstrukturen, die auf Siedlungsüberreste schließen lassen. Dieses von der lokalen Bevölkerung als Globid-Village bezeichnete Areal im Osten ʿAsa-Gaylas ist als Ort besonderer historischer und lokaler spiritueller Bedeutung bekannt, was nach ethnohistorischen Quellen als Indikator für eine besonders lange Besiedlungsgeschichte gewertet werden kann. Zudem ist ein weitreichendes Netz an Pfaden und Wegen zu beobachten, die diese Region Richtung Norden verbinden. Das gesamte Gebiet um ʿAsa-Gayla liegt auf Holozänen fluvialen Ablagerungen. Hier treffen sich Entwässerungsbahnen aus dem Süden, aus dem westlich gelegenen Stratoid-Basalt und aus dem östlich gelegenen Dalha-Basalt. Somit ist in diesem Konfluenzgebiet von einer recht guten Wasserverfügbarkeit auszugehen.
Eine zweite Exkursion führte an den Ort Lubatanlé am nördlichen Ufer des Golfs von Tadjoura und den dort wachsenden Weihrauchbäumen. Mit dem Ziel, das geografische Umfeld dieses Rohstoffes sowie möglicher natürlicher Häfen zu erfassen, die möglicherweise mit dem Punt-Handel in Verbindung stehen, erfolgte ein erster Sondierungssurvey. An der Steilküste und dem Standort der Weihrauchbäume wurden mehrere sehr große, zusammenhängende Areale mit unterschiedlichen Steinstrukturen erfasst, die zusammengenommen eine Siedlung beträchtlicher Größe ergeben Die Zeitstellung der Erbauung und Nutzungsdauer der Strukturen ist derzeit jedoch noch weitestgehend unklar. Laut ethnohistorischer Quellen sowie auf Grundlage der spanischen Forschungen handelt es sich wahrscheinlich um mindestens mittelalterlich und vorislamisch datierende Anlagen. Die Strukturen können in unterschiedliche funktionale Bereiche unterschieden werden: Sie bestehen u .a. aus Grundmauern für aufgehende Gebäude, Vorratsinstallationen, Stallanlagen, Kultanlagen und Hirtentürmchen sowie Schutzbauten für Herdentiere, Gräber. In dem Areal mit einer Ausdehnung von 1.5 x 2.3 km finden sich Streuungen von Obsidianabschlägen, Mollusken, und Reibgeräten während die Anzahl von Keramikscherben auf der Oberfläche verschwindend gering sind. Die Siedlungsreste reichen sehr nah an die südlich gelegene Steilküste heran, die mit einer Höhe von ca. 300 m ü NN hoch über dem Golf liegt (Figur 4). An den Klippen der Kliffküste wachsen Weihrauchbäume (Figur 5) (boswellia pap.), die endemisch sind bzw. dort angepflanzt wurden. Noch heute ist die einheimische Bevölkerung in der Gewinnung von Weihrauchharz tätig. Entlang der Steilküste reihen sich mehrere kleinere Buchten mit Sandstrand, die als natürliche Häfen für antike Handelsschiffe in Frage kommen könnten.
Eine dritte Exkursion hatte den historisch relevanten Küstenort Raysali zum Ziel, von dem aus das Team mithilfe eines lokalen Führers den antiken und modernen Karawanenweg nach Norden verfolgte. Die Bucht von Raysali liegt am südlichen Ende eines ausgedehnten Quartären Schwemmfächerkomplexes, der sich nach Süden hin zum Golf öffnet und seine Wurzel an den sich nach nördlich anschließenden Bergen des Mabla-Basalts hat. Vereinzelt stehen hier Riffkalke an (Figur 6), die auf das letzte Interglazial (ca. 125 ka) datieren. Sie belegen eine relative Meeresspiegelabsenkung, entweder durch ehemals höheren Wasserstand und/oder durch tektonische Hebung des Areals. Möglicherweise wurde diese Bucht von Raysali bereits in der Antike zum Anlanden genutzt, zumindest verweisen einige neuzeitliche Schiffswracks auf eine Nutzung als Anlandeplatz (Figur 7).
Zusammenfassung und Ausblick
Durch die interdisziplinäre Ausrichtung der Exkursionen (Archäologie, Geografie, Ethnohistorie, Historie) konnten verschiedene Einblicke in die Kulturlandschaft Tadjouras gewonnen werden. In der untersuchten Region finden sich viele, teilweise deutlich divergierende geologische und geomorphologische Großräume, die sich auch klimatisch durch eine Höhenzonierung voneinander unterscheiden.
Neben Wegesystemen und Routen lassen insbesondere die Anzahl und räumliche Verteilung von Tumulus-Anlagen unterschiedlicher Zeitstellungen auf die soziale und kulturelle Bedeutung der Region sowie auf lange Traditionslinien schließen. Über in einem weiteren Feldaufenthalt geplanten geophysikalische Sondierungen und Ergebnisse der Sediment-Datierungen werden wichtige Hinweise auf die antike Nutzung dieser Kulturlandschaft erwartet.
Wir danken den Mitarbeiter:innen des Centre d’Etudes et de Recherche de Djibouti (CERD), insbesondere Saleh Zekaria für die erfolgreichen Zusammenarbeit, seiner Unterstützung des Projektes und seiner umfassenden Gastfreundschaft.