„Routes of Interaction“ – Forschungen in Djibouti
Mit dem Ziel, die Forschungen zu innerafrikanischen Kontakten und Interaktionsrouten zwischen 2. und frühem 1. Jahrtausend v. Chr. am Horn von Afrika fortzuführen, fanden in März/April 2024 weitere interdisziplinär konzipierte Prospektionen in Djibouti statt. Die Feldarbeiten erfolgten in Kooperation zwischen dem Projekt „Routes of Interaction“ mit der Forschungsstelle Antikes Südarabien und Nordostafrika der Friedrich-Schiller-Universität Jena (W. Smidt). Gemeinsam von den Mitarbeiter*innen K. Pfeiffer, J. Hardt und H. Riemer des deutsch-djiboutischen Teams organisiert, erfolgte ein archäologisch-geografischer Survey entlang der Küste sowie im Inland des Sultanats Tadjourah. Die Arbeiten orientierten sich an den Ergebnissen der Exkursionen des Vorjahres, der Auswertung von Satellitenbildern sowie Hinweisen von Mitarbeiter*innen des L’Institut de recherches archéologiques et historiques (IRAH) und der lokalen Bevölkerung.
Die im Projekt verankerten Fragestellungen zum in ägyptischen Quellen erwähnten Land Punt und dessen mögliche Lokalisierung rückten das Sultanat Tadjourah in den Vordergrund der Forschungsreise, wo 2023 Vorkommen von Weihrauchbäumen dokumentiert werden konnten.
Durch die interdisziplinäre Ausrichtung des Projekts konnten vielfältige Einblicke in die Kulturlandschaft des Sultanats von Tadjourah gewonnen werden (Figur 1). Die Untersuchungsregion besteht aus teils deutlich divergierenden tektonischen, geologischen und geomorphologischen Landschaftszonen, die sich nicht nur klimatisch voneinander unterscheiden – auch weisen Sie unterschiedliche Nutzungstraditionen und Kulturlandschaften auf. Neben zahlreichen Siedlungsstrukturen lassen die erfassten Wegenetze und Überlandrouten auf die soziale und kulturelle Bedeutung der Region schließen. Die Anzahl und die räumliche Verteilung von Grabhügeln aus verschiedenen Perioden konsolidieren diese Beobachtungen und lassen auf lange Traditionslinien schließen.
Der Survey konzentrierte auf drei unterschiedliche Befundareale, die sich jeweils durch topografische Besonderheiten voneinander unterscheiden. Dies ermöglicht uns, Modelle von Routen zu erstellen und die Interaktion zwischen unterschiedlichen Regionen und Orten im Rahmen sehr unterschiedlicher Umgebungen zu erforschen, und diese dann auf andere Regionen übertragen zu können. Für Prospektion und Mikrosondagen wurden die Fundstellen Loubatanlé, Randa/Boli und ein Vulkankrater in der Nähe von Ghoubet ausgewählt (Figur 2). Diese Stätten sind nicht nur reich an archäologischen Überresten, sondern sind geostrategisch auch unterschiedlich lokalisiert.
Der Fundort Randa/Boli befindet sich nahe einer Passstraße (ca. 900 m über dem Meeresspiegel). Zahlreiche Grabhügel, Siedlungsstrukturen und ein ausgedehntes Wegesystem bilden hier eine Art Kreuzungspunkt von Überlandrouten und Landschaftszonen (Figur 3). Eine Nord-Süd Achse bildet hier den Übergang von der Küstenregion zu den ausgedehnten Basaltlandschaften des Hinterlandes, die Ost-West Achse verbindet tief eingeschnittene Talsysteme und tektonische Gräben mit Höhenzügen und Spornen. Routenabschnitte, die das Hochland mit dem küstennahen Tiefland verbinden oder entlang des Hochlandes verlaufen, können von Randa/Boli aus modelliert werden). Neben Wegenetzen, die innerhalb des archäologischen Areals verlaufen, konnten auch Fernrouten erfasst werden, die das Areal tangieren (Figur 4). Eine große Anzahl von Grabhügeln spricht für ein wiederholtes Aufsuchen des Areals sowie eine sozio-kulturelle Bedeutung des Platzes. Auf der Grundlage von Vergleichsbefunden können die Grabhügel in einen Zeitraum zwischen 3. Jt. v. Chr. und das 1. Jt. n. Chr. datiert werden (Figur 5). Neben Abschläge und Gerätefragmente aus Obsidian konnten Keramikscherben dokumentiert werden. Es fand sich eine Scherbe eines charakteristischen Keramiktyps, der bislang nur aus der Gobaad-Ebene im Südwesten Djiboutis bekannt ist und in das 2. Jt. v. Chr. eingeordnet werden kann, nähere Untersuchungen finden derzeit statt. Über Mikrosondagen erfolgten Sedimentbeprobungen, Holzkohle-Einschlüsse aus diesen Sedimenten befinden sich derzeit für 14C-Datierung im Poznan Radiocarbon Laboratory. Daneben finden auch geochemische Analysen der Sedimente statt.
Der Vulkankrater bei Ghoubet, der etwa 40 km westlich von Tadjourah-Stadt im südlichen Teil des Wadi Asa Foo liegt, ist aufgrund seiner Lage und Form singulär. Der kreisrunde Krater mit einem Durchmesser von etwa 300 m ist im Inneren Bereich geprägt von einem hellen feinkörnigen Substrat, das wasserstauende Eigenschaften aufweist (Figur 6). Nach einem Regenereignis hatte sich hier ein größerer See gebildet. Auch die Vegetation zeigt im Inneren des Kraters eine bessere Wasserverfügbarkeit als die umgebende Landschaft. Zahlreiche Steinstrukturen unterschiedlicher Größe sind am Rand des inneren Kraters (Figur 7), am Kraterhang, am äußeren Kraterkreis sowie auf den angrenzenden Terrassen zu erkennen. Der geschlossene Kraterring bietet eine geschützte Fläche. Sie könnte möglicherweise für das Tränken von Herdentieren, als Karawanenstation oder, im Hinblick auf die Steinstrukturen, als religiöser und kultureller Ort für die ansässige Bevölkerung gedient haben. Ein weit verzweigtes Pfad- und Wegenetz verbindet nicht nur die Steinstrukturen untereinander, auch binden jene den Krater überregional an. Das Wadi Assa Foo, in dem der Krater liegt, ist die einzige begehbare Nord-Süd-Verbindung im Westen des Golfs von Tadjourah. Das Wadi führt von der Küste durch unwirtliche Vulkanlandschaft in das für Pastoralismus geeignete Hinterland und bietet eine Nordroute, die auch von Karawanen genutzt worden sein könnte. Die Funde von Obsidian und Gefäßkeramik sind in der Auswertung, ebenso wie die Holzkohleproben, die aus Mikrosondagen gewonnen werden konnten.
Die Bedeutung von Loubatanlé wurde bereits während der Erkundungsreise im Jahr 2023 sehr deutlich. Die Weihrauchbäume, die den Ort für das Projekt „Routes of Interaction“ besonders attraktiv machen, wachsen am Plateaurand und am Kliff. Mindestens zwei Pfade verbinden das Hochplateau mit der Küste. Ob diese Pfade mit antikem Weihrauchtransport in Verbindung gebracht werden könnten, war Inhalt der diesjährigen Untersuchungen im Feld. Am Fuße des Kliffs von Loubatanlé wurde auf einer Gesamtlänge von 2 km die Küste prospektiert. Ziel war einerseits die Erfassung potenzieller Anlandeplätze für die mögliche antike Verschiffung von Gütern (z.B. Weihrauch) an den flachen Sandstränden (Figur 8). Andererseits wurden Pfade prospektiert, die auf das Hochplateau mit der Weihrauchvegetation führen. Zwei signifikante Pfade wurden dahingehend untersucht, ob der Untergrund und die Steigung für Lasttiere gangbar wären, was anhand von empirischen Vergleichsstudien bejaht werden kann (Figur 9).
Die Untersuchung von Verbindungswegen zwischen potenziellen Anlegestellen und dem 300 m hohen Weihrauch-Kliff gehörten bei der Saison 2024 zu den zentralen Fragestellungen. Da die Küstenprospektion sowohl zur Fuß als auch per Boot durchgeführt wurde, konnten wichtige Erkenntnisse zur Bedeutung der Tide und der Windverhältnisse in dem Küstenbereich gewonnen werden. Teile der Küste weisen vorgelagerte Korallenbänke auf, die ein Anlanden während der Ebbe verunmöglichen, selbst kleine flache Boote können nicht anlanden. Ein anderer Faktor sind die Winde, die in diesem Bereich sehr stark sein können, da sich der Golf von Tadjourah nach Osten hin verbreitert. Aufgrund des starken Windes kann sich eine hohe Dünung bilden, die dann in Form starker Wellen an den Korallenbänken bricht – und auf diese Weise das Anlanden eines kleinen Bootes verunmöglichen. Zwar können Personen watend oder schwimmend das Ufer erreichen, auch könnte Fracht auf diese Weise an Land gebracht werden – was bei diesen Bedingungen nicht an Land gelangen kann, sind Lasttiere. Durch diese Beobachtungen können Rückschlüsse auf die Jahreszeiten gezogen werden, die Einfluss auf (modernen und antiken) Schiffstransport haben.
Die kulturpolitische Komponente der Forschungsreise nach Djibouti bestand aus einem gemeinsam mit dem IRAH organisierten Workshop zu Methoden in der Feldforschung, einem Treffen mit dem Sultan von Tadjourah sowie mit einem Treffen mit der Deutschen Botschafterin in Djibouti, Dr. Heike Fuller (Figur 10).