Musawwarat es-Sufra (Sudan)
Als Teil der UNESCO-Weltkulturerbestätte „Archaeological Sites of the Island of Meroe“ gehört Musawwarat es-Sufra zu den am besten erhaltenen archäologischen Orten im Sudan. Musawwarat besteht aus ausgedehnten – und in Teilen einzigartigen – monumentalen Baustrukturen in einem malerischen, abgelegenen Tal im Kernland des alten Königreichs von Kusch. Die Gebäudetypen und das Fehlen signifikanter Siedlungsreste deuten darauf hin, dass Musawwarat keine Wohnstätte war sondern während der primären Nutzungszeit als Bühne für groß angelegte Kultaktivitäten diente.
Die meisten der heute sichtbaren Tempel und Tempelanlagen stammen aus dem Beginn der meroitischen Zeit, die sich insgesamt vom 3. Jahrhundert v. Chr. bis in das 4. Jahrhundert n. Chr. erstreckte. Dies macht Musawwarat zu einer der wenigen archäologischen Stätten mit gut erhaltenen Überresten aus dieser Phase des Königreichs von Kusch. In dieser transformativen Zeit sehen wir signifikante Veränderungen in verschiedenen Aspekten der kuschitischen Kultur, darunter Religion, Kunst und Architektur, wobei lokale oder „indigene“ Facetten deutlicher und sichtbarer werden. Manifestationen dieser Verschiebung sind in Musawwarat besonders ausgeprägt, finden sich dort doch der älteste bekannte Tempel für den lokalen löwenköpfigen Gott Apedemak, einzigartige Lösungen in Architektur und Kunst sowie frühe Beispiele einer neu entwickelten Schrift für die lokale meroitische Sprache, die damit zu einer der ersten Schriftsprachen des subsaharischen Afrika wurde.
Musawwarat ist bereits seit langem Gegenstand archäologischer Forschungen durch die Humboldt-Universität zu Berlin in Zusammenarbeit mit der National Corporation for Antiquities and Museums (NCAM). Eingehende wissenschaftliche Untersuchungen und Ausgrabungen im Rahmen des Musawwarat-Projekts wurden von umfangreichen Konservierungs- und Restaurierungsprojekten, Schutz-, Instandhaltungs- und Präsentationsmaßnahmen begleitet. Ein neues Forschungsprojekt an der Kommission für Archäologie Außereuropäischer Kulturen (KAAK) setzt diese Arbeiten fort und baut darauf auf indem es Ergebnisse aus Feld-, Archiv und Sammlungsforschung zusammenführt. Das Projekt befragt eine weite Bandbreite an Quellen unter anderem danach, inwieweit sich „lokale Traditionen“ in Raumkonzepten, Aspekten der visuellen Kultur oder in der sensorischen Bandbreite von Kultpraktiken manifestiert haben mögen und wie diese Traditionen in die Planung, Gestaltung und Nutzung der Bauten einbezogen worden sein könnten. Nachdem sich frühere Forschungen lange auf Einflüsse aus Ägypten und dem Mittelmeerraum und dem Nahen Osten konzentrierten, untersucht dieses Projekt am Beispiel Musawwarats einige der vielfältigen kulturellen Ausdrucksformen der meroitischen Welt aus den Perspektiven der Archäologie Afrikas sowie der Archäologien der Sinne und des Raums.
Mitglieder
Dr. Cornelia Kleinitz
Kommission für Archäologie Außereuropäischer Kulturen (KAAK)
cornelia.kleinitz@dainst.de
Zaroog Bakri Mohamed Ahmed M.A.
National Corporation for Antiquities and Museums (NCAM)
Alfatih Mohamed Ali Saeed
University of Khartoum
Hassan Ebeid-Allah Abdalla
Musawwarat Community Council
Ayman Hassan Salih Osman
Dipl.-Ing. Christian Hartl-Reiter
Kommission für Archäologie Außereuropäischer Kulturen (KAAK)
christian.hartl-reiter@dainst.de
Partnerinstitutionen
National Corporation for Antiquities and Museums (NCAM) in Khartum
Abbildungen
Abb. 1 Tal von Musawwarat mit der Großen Anlage im Vordergrund und dem Apedemak-Tempel im Hintergrund [Musawwarat-Projekt, Foto von Ahmed Mustafa Elsheikh].
Abb. 2 Apedemak- oder Löwentempel in Musawwarat [Musawwarat-Projekt, Foto von Cornelia Kleinitz].
Abb. 3 Elefantenante und Teil des Tempels 100 auf der Zentralterrasse der Großen Anlage von Musawwarat [Musawwarat-Projekt, Foto von Cornelia Kleinitz].
Abb. 4 Freilegung eines Opferbereichs in der Nähe des Apedemak-Tempels [Musawwarat-Projekt, Foto von Pedro Rodriguez Simon].
Abb. 5 Untersuchung einer antiken Eisentrompete aus Musawwarat in der Sudanarchäologischen Sammlung & Archiv der Humboldt-Universität zu Berlin [Musawwarat-Projekt, Foto von Alvaro Minguito].