Elephantine (Assuan, Ägypten)
Elephantine ist eines der umfangreichsten Grabungsprojekte des DAI Kairo. Seit 1969 werden hier am ersten Nilkatarakt nahe der Südgrenze Ägyptens „Tempelanlagen und Verwaltungsgebäude, Wohn- und Wirtschaftsquartiere einer ägyptischen Stadt in ihrer komplexen Gesamtheit und über die gesamte Dauer ihrer geschichtlichen Entwicklung“ (Kaiser, Elephantine. Offizielles Führungsheft des Deutschen Archäologischen Instituts, Kairo 1998, 5) erforscht. Entsprechend wurden in den letzten 50 Jahren auch Erkenntnisse zur Entwicklung der Wohnarchitektur der Inselstadt von der Naqada-Zeit (um ca. 3500 v.u.Z.) bis in das 1. Jahrtausend u.Z. herausgearbeitet. Es gelangen erste Rückschlüsse zu Funktionen der Gebäude und einzelner Räume und auch deren Multifunktionalität konnte nachgewiesen werden. Dennoch wirken die Ruinen der pharaonischen Stadt ‚menschenleer‘. Aus diesem Grund hat sich seit 2014 der Fokus der archäologischen Arbeiten im Rahmen des Teilprojekts ‚Lebenswirklichkeiten‘ (unter der Leitung von J. Sigl) kulturanthropologischen Fragestellungen zugewandt. Gleichzeitig wurde die Grabungstechnik modernisiert und eine vermehrte Einbindung von archäometrischen Methoden angestrebt. Im Zentrum der Untersuchung stehen Wohnbauten des späten Mittleren Reichs (um 1800 v.u.Z.) im nordwestlichen Teil des Siedlungshügels der Inselstadt.
Entstanden aus einem nubischen Dorf als Glied eines nubisch ruralen Siedlungsmusters, wurde die historische Stadt auf Elephantine mit Beginn der dynastischen Zeit und dem Ausgreifen der ersten ägyptischen Könige nach Süden zur Metropole der Region ausgebaut. Das nubische Element bleibt im Fundgut, besonders anhand von Keramikfunden, durch alle Phasen der Entwicklung der Stadt präsent. Die Erforschung der materiellen Kultur und ihrer ökonomischen Vernetzung dokumentiert die Verwurzelung Ägyptens in Afrika. Diese wird neben den neuen Funden aus dem Projekt Lebenswirklichkeiten besonders im Friedhof der Inselbewohner (genutzt bis ca. 2000 v.u.Z.) deutlich. Hier fanden sich z.B. Armreifen aus Elephanten-Elfenbein und mindestens ein Grab in typisch nubischer Bestattungstradition (Forschungsprojekt von St. J. Seidlmayer). Die nubische Keramik aus dem neu erforschten Stadtgebiet wird von M.-K. Schröder gleichartigen Funden derselben Zeitstellung aus Oberägypten und dem Sudan gegenübergestellt. Die Studie erweitert das nubische Inventar auf Elephantine und dessen überregionale chronologische Fixierung zu vorausgehenden Arbeiten (u.a. D. Raue). Aus dem Siedlungskontext stammend, bietet die Keramik aus der Inselstadt, im Gegensatz zu dem vorwiegend aus Gräbern stammenden Vergleichsmaterial, die seltene Chance, die kulturelle Vernetzung der Stadt und ihrer Bewohner am Objekt zu erforschen. Zusätzlich ermöglichen aktuelle Arbeiten von C. Jeuthe zur Rekontextualisierung von Funden Einblicke in unterschiedliche Abläufe der antiken Stadt. Diese beleuchten nicht nur die Objekte, sondern z.B. auch die verwendeten Rohmaterialien und die Lebensdauer und (Ab)Nutzungsbiographie eines Gegenstandes. Mit Hilfe von archäometrischen Untersuchungen werden alltägliche Momente aber auch Versorgungsstrategien sichtbar, die oft in der baulichen Ausprägung und dem Befundaufkommen nicht transparent werden. Im direkten Vergleich mit Ergebnissen aus Ayn Asil, (IFAO) in der Oase Dakhla / west. Wüste zeigen sich nicht nur regionale Besonderheiten, sondern auch gemeinsame Erscheinungen, die sich zumindest punktuell an weiteren Fundorten im Niltal zeigen. So werden weitere Informationen zum Güteraustausch, aber auch zur Versorgung durch den altägyptischen Staat gewonnen, wodurch Elephantine fest in verschiedene Netzwerke eingebunden war.
Mitglieder
Prof. Dr. Stephan J. Seidlmayer
DAI Kairo
seidlmay@zedat.fu-berlin.de
Dr. Johanna Sigl
Kommission für Archäologie Außereuropäischer Kulturen
johanna.sigl@dainst.de
Dr. Clara Jeuthe
DAI Kairo
clara.jeuthe@dainst.de
Marie-Kristin Schröder M.A.
DAI Kairo
marie-kristin.schroeder@dainst.de
Partnerinstitutionen
Abbildungen
Fig. 1 Die historischen Siedlungsreste am Südende von Gezirat Aswan (Elephantine), Blick nach Süden
[© DAI Kairo].
Fig. 2 Ausgrabungsarbeiten und Probennahme für die Mikromorphologie im nordwestlichen
Siedlungsgebiet von Elephantine [DAI Kairo, Foto von P. Kopp].
Fig. 3 Nubische Feinkeramik aus Elephantine, verweisend auf Verbindungen zum südlichen Kulturraum,
der sog. “Kerma”-Kultur am 3. Nilkatarakt [DAI Kairo, Foto von P. Kopp].
Fig. 4 Wetzstein aus dem Siedlungsgebiet Satet-West, frühes Altes Reich [DAI Kairo, Foto von C. Jeuthe].