Islamische Rechtsschulen

Islamische Rechtsschulen im nördlichen Afrika. Ordnungen von Architektur und Recht

Fig. 1 | Bu Inania in Fes | © F. Arnold

Im 12.-14. Jahrhundert CE wurden über das gesamte nördliche Afrika hinweg islamische Rechtsschulen gegründet (madāris, Singular madrasa). Ihren Ausgangspunkt nahm diese Entwicklung im Nahen Osten. Die erste madrasa in Kairo ließ Saladin 1171 errichten. Es folgte Bauten in Tunis (1238), Fes (1271) und Granada (1349). Mit der Gründung solcher Rechtsschulen suchten Herrscher einen gemäßigten, konsensfähigen Islam zu fördern. Sie reagierten damit auf Reformbewegungen der vorangehenden Jahrhunderte – im Osten auf das Schiitentum der Fatimiden, im Westen auf die Zahiriten, eine radikale Rechtsschule der Almohaden. Zugleich versuchten sie den zunehmenden Hang zur Mystik (Sufismus) in der Bevölkerung, der die individuelle Gotteserfahrung in den Vordergrund stelle, unter Kontrolle zu bringen.

Im nördlichen Afrika sind über 30 madaris des 13.-14. Jahrhunderts weitgehend unverändert erhalten, darunter so bedeutende Bauten wie die madrasa des Sultan Hasan in Kairo und die Bū ʿInānīya in Fes. Im Rahmen eines Projektes der Abteilung Madrid werden viele dieser Bauten neu vermessen und damit erstmals verlässliche Planzeichnungen ausgearbeitet. Anhand dieser Bauaufnahmen soll der architektonische Entwurf der Gebäude analysiert werden.

Analog zu der in ihnen praktizierten Lehre ist der architektonische Entwurf der Rechtschulen als normativer Akt zu sehen. Mehr als an anderen Baugattungen der islamischen Architektur – etwa Moscheen oder Palästen – ist an den madaris der Versuch zu beobachten, Raum durch Logik und Geometrie zu ordnen. Der Vergleich zwischen architektonischem Entwurfsdenken und Logik in der Rechtsfindung an den Rechtsschulen liefert ganz neue Einsichten in die Krise der Vernunft der Zeit zwischen 1200 und 1350, und damit in einen Prozess, dessen Auswirkungen noch heute die Gesellschaften des nördlichen Afrikas prägen.

Die Entwicklung in den unterschiedlichen Regionen des nördlichen Afrika war dabei keineswegs einheitlich. Ebenso wie die geförderten Lehrrichtungen – Mālikiten im Westen, Schāfiʿiten im Osten – unterschieden sich auch die Bauwerke. Typologische Unterschiede – Breiträume im Westen, iwane im Osten – sind offensichtlich und immer wieder beschrieben worden. Weniger bekannt ist, dass sich auch die in den Entwürfen angewendeten geometrischen Prinzipien unterscheiden – im Westen gründen viele Entwürfe auf den geometrischen Eigenschaften des gleichschenklig rechtwinkligen Dreiecks, im Osten hingegen auf den Eigenschaften des Oktogons. Die Rechtsschulen sind damit nicht nur ein Beispiel für die Kongruenz kultureller Entwicklungen im nördlichen Afrika, sondern auch für die Unterschiede, die diesen Raum prägen.

Mitglieder

Felix Arnold

DAI | Außenstelle Madrid

felix.Arnold@dainst.de

Fig. 2 | Sultan Hasan in Kairo | © F. Arnold