Mogador (Essaouira), Marokko. Ein phönizischer Außenposten an der marokkanischen Atlantikküste
Mogador ist eine 500 m lange, 400 m breite und kaum 20 m hohe Insel in der Meeresbucht von Essaouira, ein bis in die 1940er-Jahre international bedeutender Hafenort, wo sich Karawanen und Seewege trafen – eine Situation, die in bestimmtem Maße auch für die Antike zugetroffen haben könnte.
Die diachrone Untersuchung der Landschafts- und Besiedlungsgeschichte bildet den Rahmen des Projektes. Es betrachtet Mogador als Teil eines weiten Territoriums, das sich auf der Insel, die Meeresbucht von Essaouira mit der Mündung des Oued Ksob und die atlantische Küstenregion von Gebel Hadid im Norden bis Ounara im Osten und Oued Tidzi im Süden erstreckt. Im südlichen, dem einzigen windgeschützten Teil der Insel Mogador befinden sich die antiken Stätten: Reste einer phönizischen Niederlassung, die um die Mitte des 7. Jahrhunderts v. Chr. gegründet wurde, und eine römische Villa aus der Regierungszeit von Juba II (25 v. Chr. – 23 n. Chr.). In beiden Fällen handelt es sich um die südlichsten Fundplätze der Epochen in dieser Region. Das phönizische Areal, das das Zentrum der Untersuchung darstellt, umfasst weniger als 200 m². Die ursprüngliche Ausdehnung kann nicht rekonstruiert werden, denn Teile sind der Erosion durch den Atlantik zum Opfer gefallen.
Ein 1,45 m hoher Baitylos, der auf dem Rand einer Lampe in phönizischer Schrift eingeritzte Namen der Göttin Astarte, zahlreiche phönizische Lampen und Thymiateria und das Fehlen von Architektur lassen erahnen, dass wir uns hier in einem hypäthralen Heiligtum befinden. Auf einstige Bankette verweisen Tausende hier gefundene Scherben phönizischen Tafelgeschirrs und Amphoren. Die Gefäße stammen von unterschiedlichen phönizischen Niederlassungen im Süden der Iberischen Halbinsel. Anhand der Neutronenaktivierungsanalyse wurden Importe von mindestens fünf Produktionsstätten nachgewiesen. Außer den Gefäßfragmenten befinden sich massenhaft Tierknochen in den kompakten Schichten im Umfeld des Baitylos. Sie belegen Spezialisierungen der Meeresfischerei und Viehzucht, außerdem weisen sie auf die kontinentale und maritime Ausdehnung des „Territoriums von Mogador“. Besondere orientalische Konnotationen bringen u. a. Knochen eines Pfaus, von afrikanischen Steppenelefanten und fünf jungen Löwen hervor. Darunter ist ein Mittelfußknochen mit einer Pathologie, die zeigt, dass das wilde Tier in Gefangenschaft gelebt haben musste. Waren diese exotischen Tiere Handelsware oder gehörten sie zur Ausstattung des Astarte-Heiligtums? Bemerkenswert ist jedenfalls, dass im Orient die aufwändige Jagd auf Löwen und Elefanten dem König vorbehalten war und dass das wertvolle Elfenbein im Umfeld der Paläste verarbeitet wurde. Unweit des Baitylos fanden sich die Spuren von spezialisierten Handwerkern, die ‚in phönizischer Weise‘ Bronze, Eisen (erstmals in der Region!) und Silber, Knochen, Horn und auch Elfenbein verarbeiteten. Woher diese Spezialisten stammten, wer ihre Auftraggeber und wer die Empfänger ihrer Produkte waren, wissen wir noch nicht. Der Einzugsbereich von Waren (und Menschen?) war an diesem exotischen Platz jedenfalls deutlich größer als z. B. an den phönizischen Niederlassungen in Südspanien. Auf der Insel fanden sich keine vorrömischen Architekturreste, auch keine Süßwasserquelle. Die geographischen Untersuchungen erbrachten eine Erklärung für diese scheinbar paradoxe Situation: Mogador war bis zur Zeitenwende durch einen breiten Isthmus mit dem Festland verbunden.
Weder an der Küste noch im Hinterland von Mogador fanden sich trotz intensiver Suche und dem Einsatz geophysikalischer Prospektionsmethoden Spuren einer phönizischen oder gleichzeitigen einheimischen Siedlung. Vielleicht liegt der Grund zum einen in der landschaftlichen Konfiguration mit hohen wandernden Dünen an der Küste und Erosion im Landesinneren und zum anderen in der eventuell nomadischen Siedlungsform der einheimischen Bevölkerung. Für das Verständnis der phönizischen Niederlassung an dem entfernten Platz, seines politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Zusammenhangs mit der westphönizischen Kolonisation und den vorangehenden risikoreichen Erkundungsfahrten entlang der dünn besiedelten Atlantikküste bedarf es weiterer Untersuchungen, die im Gange sind.
Mitglieder
Prof. Dr. Dirce Marzoli
DAI | Direktorin der Abteilung Madrid
dirce.marzoli@dainst.de
Abdelaziz El Khayari